Feldversuche

Das sind ja
grüne
Aussichten

Interview mit:
Andrea Heistinger

Interview mit:
Andrea Heistinger

Das sind ja
grüne
Aussichten

Interview mit:
Andrea Heistinger

Andrea Heistinger (www.andrea-heistinger.at) ist Expertin für Regionalentwicklung und Autorin vielgelesener Gartenbücher. Sie gibt Inputs „für das Mostviertel und alle Menschen, Tiere und Pflanzen, die hier wachsen und gedeihen und alle Menschen, die hier Kraft tanken wollen.“ Über neue Einkaufsstrukturen, Lieferantennetzwerke und die Nachkriegsküche.

Wie hängen Ernährung und Landwirtschaft mit einer Region und Gastfreundschaft zusammen?
Um Bauern und Verbraucher zu versöhnen, es braucht immer dieselbe Zutat: Beziehung, Dialog, ins Gespräch kommen. Dafür ist nicht unwesentlich: Wie gut ist das Feld dafür aufbereitet in einer Gegend? Wir sind alle miteinander verbunden und aufeinander angewiesen – materiell und emotional. Und mit dem Landstrich auf dem wir leben, der Region und darüber hinaus.
Wie bringen sich Gastronomen dabei ein?
Wirte und Wirtinnen sind geborene Beziehungsgestalter! Menschen in der Landwirtschaft brauchen Rückmeldungen, Kundengespräch, Unterstützung beim Marketing. Der Koch gibt dem Bauern Sicherheit, er veredelt das Produkt. Zusammenwirken zu einem Zweck und mit gemeinsamen Zielen. Gemeinsamer Sinn und ähnliche Werte: Wozu machen wir das? Was hält uns zusammen?

Wir sehen momentan ziemlich schmerzhaft und abrupt, wie wir von globalen Warenströmen abhängig sind…
Ja, etwa beim Kunstdünger oder bei Futtermitteln. Fleisch ist zu einem hohen Maß abhängig von den Energiepreisen. 43 Prozent der Welternte an Getreide landet am Teller, 36 Prozent in den Futtertrögen und der Rest als Biodiesel im Tank. Fleisch und Milch machen 23 Prozent des Konsumvolumen unserer Lebensmittel aus, generieren aber 66 Prozent der treibhausrelevanten Klimagase. Nicht nur die Böden sind unter Druck, sondern Menschen mit landwirtschaftlichem und gärtnerischen Know-how. Schließlich schließen hierzulande täglich acht Bauernhöfe. Die aktuellen Herausforderung sind gleichzeitig auch unsere Chancen. Die Probleme sind gleichzeitig die Lösungen: Wir müssen einfach nur umdenken! Uns bleibt nichts anderes übrig. Wir können nicht ausblenden, wie abhängig wir sind. Und es ist ja meistens so: Wenn es nicht weh tut, handelt niemand. Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.
Wird das Wissen über Erzeugung und Herkunft wichtiger? Regional wird als „neuer Wert“ verkauft. Reicht das?
Es geht um Kostenwahrheit, um Herkunftskennzeichnung, vor allem aber um echte Regionalität und Ehrlichkeit. Nehmen wir als Beispiel einen  Kohlrabi, der im Supermarkt als „österreichischer“ Kohlrabi verkauft wird. Uns muss klar sein: Das Substrat auf dem er wuchs ist Torf aus dem Baltikum, die Landmaschinen, mit dem er gesetzt wurde kommen vermutlich aus den USA und der Dünger kommen aus Russland. Die Arbeitskraft zur Ernte stammt etwa aus Rumänien oder der Ukraine. Regional ist zum Plastikbegriff verkommen und wird so beliebig und nachlässig verwendet wie das Wort „Nachhaltigkeit“.

 

„Wir sollten die Nachkriegsküche umdrehen:
In der Besatzungszeit war Fleisch Mangelware, gleichzeitig
etwas Besonderes.“

Wie kommen wir aus dem Kreislauf raus?
Wir müssen der Entfremdung entgegenwirken und zuerst bei uns selbst und dann beim Gast Bewusstsein schaffen.
Was bedeutet das für die Speisekarten im Mostviertel?
Wir leben in einer Grünlandregion. Wir können uns nicht von Gras ernähren, wir brauchen Wiederkäuer, die die Grasenergie transformieren, sie für uns aufbereiten. Aber der aktuelle Fleischverbrauch von 60 Kilogramm pro Kopf und Nase ist viel zu hoch. Die fleischbetonte „Hausmannskost“ ist eine Küche der Vergangenheit und nicht eine Küche der Zukunft. Weder für unseren Planeten noch für unsere Regionen noch für unsere Gesundheit.
Wie viel dürfte man essen, wenn hauptsächlich Gras das Futter wäre und wir quasi von Weidehaltung ausgehen?
Jährlich etwa 15 Kilogramm und der Schwerpunkt müsste dabei eben auf den Wiederkäuern Rind und Schaf liegen. Nach dem Krieg war die Reaktion auf den Mangel Überfluss: „Kraut und Rüben haben mich vertrieben, hätte meine Mutter Fleisch gekocht, wäre ich geblieben.“ Das war ein Spruch meines Großvaters, der den zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit als junger Mann erlebt hat. Wir müssen das wieder umdrehen. Aus der fleischdominierten „Wohlstandsküche“, die in Reaktion auf den Mangel der Nachkriegsküche entstanden ist, müssen wir raus. Es braucht mehr Gemüse. Mehr Anbaufläche, Wissen über Sorten, Zeitpunkte und Gerichte. Wir müssen den Nutzungsgrad der Ernte erhöhen, sowie die Kompetenz beim Bauern, beim Koch und beim Gast ausbauen.

Es muss auch Veganes geben, aber es gibt beispielsweise keine vegetarische Kochlehre. Die Tourismusdesinationen fragen sich: Wo bekomme wir Köche, die vegetarisch kochen können her?
Wie schätzen Sie vegetarische und vegane Küche in Zukunft ein?
Geschmack ist ein guter Verbündeter. Es geht um Motivation statt Sanktion. Dazu braucht der Konsument auch die Wahl(möglichkeit). Und ganz wichtig: Vegetarisch kochen ist viel mehr als Kochen ohne Fleisch.
Wie sieht der Gast der Zukunft aus? Was braucht er.
Der Gast der Zukunft wird deutlich weniger Fleisch essen und ein hohes Augenmerk auf eine wirklich geschmackvoll vegetarische oder/und vegane Küche legen. Bereits über 30% aller Schüler und Studenten in Österreich ernähren sich vegetarisch. Und: In den Städten ist die Abneigung gegen Fleisch, das möglicherweise aus nicht artgerechter Tierhaltung stammt besonders groß geworden.
Wie können Mostviertler Wirte die Landwirtschaft dazu bringen, das zu produzieren, was sie brauchen?
Erstens Zusammenarbeit. Das braucht ein richtiges Umlernen. Denn: Wir sind vom ersten Schultag an auf Konkurrenz, nicht auf Kooperation getrimmt. Und zweitens: Planungssicherheit auf beiden Seiten. Köche müssen sich mit den Bauern zusammensetzen und rechtzeitig besprechen. Denn: Auf einem Biobetrieb ist vorbeugender Pflanzenschutz wichtig, also muss die Fruchtfolge passen und der Anbauplan frühzeitig stehen, sonst gibt es Fruchtfolgeschäden, Schädlingsprobleme und der Boden wird ruiniert. Die wichtigste Zutaten sind: Die Ressourcen der Region und neue Beziehungsnetzwerke in den Regionen.