Feldversuche

Gegen
den Strom
und gegen
das Mittelmaß.

Gegen
den Strom
und gegen
das Mittelmaß.

Manchmal muss man sich wehren. Gegen das Mittelmaß und gegen das Vorhersehbare. Dann, wenn es wirklich wichtig ist und man an eine Idee glaubt, die man noch nicht einmal in Worte fassen kann. Ungefähr so war es, als Christian Tschida vor vielen Jahren angefangen hat Wein zu machen. Auf seine Art, und die ist im besten aller Sinne besonders.

Anfangs habe er sich ständig gefragt, ob er der Geisterfahrer sei, oder die 100 anderen, die ihm entgegenkamen. Illmitz ist zwar seine Heimat, Gleichgesinnte hat er am Neusiedlersee aber nur keine gefunden. Die fand er später auf der ganzen Welt, wenn es ihn wieder einmal hinauszog. Christian Tschida liebt das Mittendrin genauso wie den Rückzug, den Austausch genauso wie die kontemplative Ruhe. In diesem Spannungsfeld macht er Wein. Exakt so, wie er es eben möchte.

 

„Ich wollte nicht irgendeinen netten Wein machen.
Ich wolle etwas Neues.
Noch nie Dagewesenes.“

Als „adoleszenter Wahnsinniger“, wie er sich augenzwinkernd nennt, ist er viel herumgekommen, hat sich ein Bild vom Leben und der Welt gemacht. Viele der Weine waren ihm damals zu schwer, es fehlte die Lebendigkeit, das Vibrato am Gaumen. Seine Weine sollten leicht, zart und tänzelnd sein. Weine die mehr Energie geben, als sie nehmen. Aus seiner Sicht auf die Dinge hat er schon damals keinen Hehl gemacht und mitunter hitzige Diskussionen entfacht. Jemand wie er polarisiert, damals vermutlich noch mehr als heute. Dafür mag man ihn, oder eben nicht. Die Maßstäbe, die er an sich und an andere ansetzt, sind hoch und haben manche schon zur Verzweiflung gebracht. Christians Erfolg gibt ihm recht, auch wenn der Weg dorthin ein langer und steiniger war.
Der erste Wein nach „Methode Chrisitan“ war freier, leichter. Rotwein mit 12,5 % Alkohol war damals ein „No-go“. Die Kunden des Vaters haben die Welt nicht verstanden. Sie waren inzwischen alt geworden, konnten und wollten diesen Weg nicht mitgehen. Eine für Christian beunruhigende Situation, aber er glaubte an sein Produkt. Ein paar Monate später kam das „Noma“ und mit ihm die ganz große Aufmerksamkeit. Der Rest ist beinahe schon legendäre Geschichte.

 

„Es war eine Mischung aus Zufall,
Enthusiasmus, Konsequenz und Sturheit.“

„Auf der internationalen Bühne hat sich Christian dann erstmalig verstanden gefühlt, ist mit Menschen an einem Tisch gesessen, die ihrerseits gegen den Strom geschwommen sind. Von Anfang an waren die Begegnungen von Respekt und Wertschätzung für die Arbeit des jeweils anderen getragen. Keine Konkurrenz, stattdessen ein oben auf dem viel entstehen konnte. Man lernte voneinander, schaute hinter die Kulissen und hat begonnen die Welt des anderen zu verstehen. Die Freundschaften haben sich über die Jahre weiter vertieft. „Beziehung heißt sich für den anderen zu interessieren, ihm zuzuhören. Dann öffnet der Mensch sich und man beginnt aneinander zu wachsen.“ sagt Christian.

Kopenhagen ist zu einer zweiten Heimat geworden. Genauso wie New York, Barcelona oder Tokio. Überall ist Inspiration und überall nimmt Christian Aufgaben und Eindrücke mit. Zum Beispiel Wein noch filigraner und leichter zu denken. Das war die Geburtsstunde von „Birdscape“ und seiner „Pink Maceration“. Wein gedacht wie Tee. Keine Extraktion, dafür ein Ziehenlassen. „Birdscape“ ist Granatapfelfarben, schwer einzuordnen. Ein Wein, der die Grenzen zwischen Rot und Weiss aufzuheben scheint und den Christian für sich noch immer nicht final beschreiben kann.
Um zu verstehen, müsse man eben die Grenzen des Machbaren auslosten, sagt er. Regeln gibt es natürlich trotzdem, aber nur wenn sie Sinn machen. Halbe Sachen gibt es nicht, denn wer bei der Ideologie nachlässt, sagt er, habe ohnehin schon verloren. 10% der jährlichen Ernte sind für Experimente reserviert, Christian betrachtet sie als Spielwiese. Als Feldversuche, die verhindern, dass die Sicht auf die Dinge eindimensional wird. Manches davon wird weiterentwickelt, anderes wieder verworfen. Sinnlos ist weder das eine, noch das andere. Wein zu machen, heißt sich zu entwicklen, an unzähligen Schrauben zu drehen und am Ende zu erkennen, dass man wohl nie fertig ist.