Feldversuche

Feldversuche unter Birnbäumen und freiem Himmel

Sa
22. Jun 2024

mit: Feldversuche unter Birnbäumen und freiem Himmel

Destillerie Farthofer
Mostviertelplatz 6
3362 Öhling

Feldversuche unter Birnbäumen und freiem Himmel.

Was haben Theresia Palmetzhofer und Doris Farthofer im Rahmen der Mostviertler Feldversuche nicht schon alles gemacht: Hühner gerupft, Ferkel zerlegt. Dieses Jahr drehte sich alles um die Milch – von roh bis verbrannt.

Erst mal geht es um das Rind. „Geschlachtet wurde es am 23. April, also vor fast zwei Monaten. Geschmacklich dürfte das ziemlich perfekt sein“, mutmaßt Theresia Palmetzhofer, während sie das vor ihr liegende, enorme Stück Fleisch begutachtet. Genau genommen handelt es sich um ein trockengereiftes „Ribeye prime“ vom Peuerbacher Reifespezialisten XO Beef. Wie das schmeckt, werden Theresias Gäste einige Stunden später sehen. Allerdings nicht dort, wo die schmale 42-Jährige, die Haare zum lockeren Knoten geschlungen, sonst tätig ist, dem Gasthaus Palme in Neuhofen an der Ybbs, sondern im nahe gelegenen Mostbirnengarten, im Rahmen eines Mostviertler Feldversuchs. Seit 2019 gibt es dieses Format, das Köch:innen mit Produzent:innen zusammenbringen will, um Raum zu schaffen für Unvorhergesehenes und -geschmecktes, mit den besten Zutaten aus der Region. Von Beginn an war Theresia mit dabei, zusammen mit ihrer Freundin, der Brennereimeisterin Doris Farthofer. Was haben sie nicht schon alles ausprobiert: Gemeinsam mit den Gästen Hühner gerupft, Grammeln ausgelassen, eine ganze Spanferkelhälfte zerlegt. Heute geht es um die Milch. „Viele wissen gar nicht mehr, wie gut die schmeckt. Statt Rohmilch kennen sie nur das pasteurisierte Supermarktzeug.“ Für ihr fünfgängiges Menü greift die Köchin auf Premiumware zurück. Auf Bauern-, Schaf- und Doris‘ Dinkelmilch.

Für die Gäste des heutigen Feldversuchs hingegen beginnt die Reise einige Kilometer vom Gasthaus entfernt. Die Mostelleria ist ein mutig und gekonnt sanierter Bau, ein so genanntes Presshaus, gegenüber der Öhlinger Dorfkirche. Herzstück ist der Verkostungsraum, mit Blick auf die wuchtigen, mit Birnenmost und Destillaten gefüllten Fässer.

Verglichen werden heute keine Äpfel mit Birnen, sondern Kuh- mit Schafs- und Dinkelmilch, wobei Letztere – produziert von den Farthofers – auf große Zustimmung stößt und die Schafsvariante bei weitem nicht als so streng empfunden wird, wie es das Klischee besagt. Anschließend spazieren die Teilnehmer:innen ein kurzes, steiles Stück zum Farthofer‘schen Garten hinauf. Traumhaft, beinahe klischeehaft schön ist die Stimmung dort, mit weiß eingedeckten, blumengeschmückten Tafeln mit Blick auf Ötscher und Ybbstal. Eine mobile Bar bietet Wein und Birnenmost, Ingwerlimonade und alkoholfreie Shrubs. Einige Schritte weiter befindet sich eine improvisierte Kochstation, dahinter glüht bereits regionale Holzkohle auf dem Grill.

Während sie und ihre Helfer Steinpilzbutter portionieren schenkt Doris, den zweiten Aperitif aus, eine Bio-Baronmost-Cuvée. Wer sich zu mehr berufen fühlt, als der Sonne beim Tieferfliegen zuzusehen, geht dem Küchenteam zur Hand. Freiwillige sammeln Kräuter, destillieren Molke oder helfen beim Molkeeiscrememachen.

An diesem Tag haben wir mit dem Wetter Glück, es ist angenehm warm, der Blick auf den Ötscher von kaum einer Wolke getrübt. Perfekt für diese Art Sommertag ist der erste Gang, Kohlrabi-Ricotta-Ravioli mit Rapsölmarinade, Petersilienöl, gepufftem Quinoa und Kletzencreme. Durch den Austausch von Nudelteig gegen Gemüse bekommt das Ganze eine herrliche Leichtigkeit und der aromatische, von den Wallseer Milchmäderln stammende Ricotta durch die Kletzenbirnenkombination einen süß-säuerlichen Gegenpart. Doris reicht dazu einen spritzig-beerigen O. Vodka, wie ihr preisgekröntes Produkt heißt, mit Holunder, Brombeere und Ingwer. Auftakt gelungen! Das O beim Vodka steht übrigens für organic, also biologisch, wie alle Produkte aus dem Hause Farthofer es sind.

Weiter geht es mit einer Vichyssoise mit Saiblingskaviar, „eine kalte Kartoffelsuppe“, wie der Service augenzwinkernd bemerkt. Dazu serviert Doris selbstproduzierte Dinkelmilch mit Obers und Limette. Saibling kommt auch im Zwischengang vor, dieses Mal in der Hauptrolle, ist in Molke pochiert und dann sous-vide gegart.

Theresia kombiniert ihn mit einer frischen, leicht scharfen Tigermilch, also dem, was sonst den Beizvorgang beim Ceviche in Gang setzt, mit Ziegenfrischkäseschaum und einigen Blättern Kapuzinerkresse aus dem eigenen Garten. Perfekt dazu passt Doris‘ mit Basilikum und Verjus veredelter O. Gin. Kommt es jetzt, das alte Rind? Es kommt. Und zwar in dicken Scheiben, maximal medium, maximales Glück. Dazu gibt es mit viel Wumms gerösteten wilden Brokkoli und ein umwerfendes Kartoffelpüree, dessen Geheimnis mit „fünfzigprozentiger Butteranteil“ schnell erklärt ist.

Zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend überlässt Doris in Sachen Getränkebegleitung einem Kollegen das Feld. Auch Mike Nährer ist regelmäßiger Mostviertler-Feldversuch-Teilnehmer. Neben seiner Tätigkeit als Koch und Betreiber des Gasthaus Nährer produziert er unter dem Namen Vergessene Gärten im Weinland-Traisental seinen eigenen Wein.

Anwesend ist er heute nicht, wohl aber eines seiner Produkte. Aus dem Frühneuhochdeutschen übersetzt bedeutet Bilithi Unbeschwertheit. So schmeckt auch die leichte Rotweincuvée, die jetzt den Weg in die Gläser der Gäste findet.

Was Doris, Theresia und ihre Gäste gemeinsam haben, als sich ein surreal-schöner rosa Regenbogen über den Himmel spannt, ist eine vollumfängliche Zufriedenheit. Wobei eine Steigerung immer möglich ist, und zwar in Form des Desserts. Von der – im Übrigen perfekten – Milchhaut war bereits die Rede.

Ihr beigestellt ist ein bissfester, mit echten Vanilleschoten verfeinerter Dinkelmilchreis („braucht etwas mehr Zucker als die Standardversion“) mit Nachbarskirschen und einer Eiscreme aus reduzierter Molke. Eine Vorarlberger Spezialität namens Sig, bravourös nach Niederösterreich importiert. Dazu wird Emmer Vodka mit Kaffee, Birne und einem Haferkeks serviert. In Kaffeetassen. Milch braucht es dazu natürlich keine.

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